Wenn eine Ehe nach § 55 EheG geschieden wird, entscheidet das Gericht auf Antrag des beklagten Ehepartners nach § 61 Abs. 3 EheG, ob der klagende Ehepartner die Hauptschuld an der Trennung trägt.
In einer Entscheidung vom März 2024 erklärt der OGH die wichtigen Kriterien dafür und untersucht, ob auch Eheverfehlungen, die nach der Trennung passieren, eine Rolle spielen können.
Entscheidung des OGH:
- Antrag der Beklagten:
- Im Rechtsmittelverfahren geht es um den Antrag der Beklagten, nach § 61 Abs. 3 EheG festzustellen, dass der Kläger die Hauptschuld an der Scheidung nach § 55 EheG trägt.
- Schuld an der Zerrüttung:
- Es ist nicht wichtig, ob der Kläger einen Grund für die Scheidung verwirklicht hat. Entscheidend ist, ob er Schuld an der Zerrüttung der Ehe hat und ob seine Schuld deutlich schwerer wiegt als die des anderen Ehepartners. Das wird nur anerkannt, wenn der Unterschied in der Schuld sehr groß ist.
- Gesamtverhalten der Ehepartner:
- Bei der Beurteilung, wer die Hauptschuld trägt, wird das gesamte Verhalten der Ehepartner während der Ehe betrachtet. Wichtig ist, wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geleistet hat, nicht die Anzahl der Eheverfehlungen. Auch wird berücksichtigt, wie stark die Verfehlungen zur Zerrüttung beigetragen haben. Wenn das schuldhafte Verhalten eines Partners das Verhalten des anderen hervorgerufen hat, wiegt das schwerer.
- Verfehlungen nach der Zerrüttung:
- Eheverfehlungen, die nach der unheilbaren Zerrüttung der Ehe passieren, sind nicht entscheidend für die Schuldfrage. Sie sind nur wichtig, wenn die Ehe noch nicht vollständig zerrüttet ist und der verletzte Ehepartner diese Verfehlungen noch als Zerrüttung empfinden konnte. Wenn die Ehe schon tief zerrüttet ist, haben neue Verfehlungen keinen großen Einfluss.
- Beurteilung der Zerrüttung:
- Die unheilbare Zerrüttung wird angenommen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehepartnern und damit die Grundlagen der Ehe objektiv und bei mindestens einem Ehepartner subjektiv aufgehört haben. Ob die Ehe unheilbar zerrüttet ist, wird objektiv beurteilt, aber ob ein Ehepartner die Ehe subjektiv als unheilbar zerrüttet ansieht, ist eine Tatsachenfrage.
Klage des Klägers:
- Der Kläger argumentiert, das Berufungsgericht habe den Zeitpunkt der unheilbaren Zerrüttung und die Gewichtung der Schuld falsch beurteilt. Er führt aus, dass beide Ehepartner einen früheren Zeitpunkt der Zerrüttung angegeben hätten. Das Berufungsgericht hat jedoch objektiv entschieden, dass die unheilbare Zerrüttung erst später eingetreten sei, da die Beklagte viele spätere Bemühungen um die Ehe unternommen hat.
- Bei der Schuldfrage hat das Berufungsgericht die Grundsätze der Rechtsprechung beachtet und entschieden, dass das Verhalten des Klägers (Zurückweisung, Gesprächsverweigerung, Nichtbeachtung und enge Beziehung zu einer Dritten) die Zerrüttung der Ehe verursacht und nicht nur vertieft hat. Der Kläger konnte nicht durchdringen, mit seinen Ausführungen, dass das Berufungsgericht seinen Ermessensspielraum überschritten hat.
Zusammenfassung:
Das Gericht entscheidet, ob der klagende Ehepartner die Hauptschuld an der Scheidung trägt, indem es das gesamte Verhalten während der Ehe betrachtet und wer den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung geleistet hat. Verfehlungen nach der Zerrüttung zählen nur, wenn die Ehe noch nicht vollständig zerrüttet ist. Die unheilbare Zerrüttung wird objektiv beurteilt.
OGH 12.3.2024, 5 Ob 229/23x