Ein Mann war gegenüber seiner Ehefrau gewalttätig und missachtete eine gerichtliche Verfügung, die ihn aus dem gemeinsamen Haushalt entfernt und ihm den Kontakt zu seiner Frau verboten hatte. Trotzdem forderte er Unterhaltszahlungen und einen Vorschuss für Prozesskosten von seiner Frau. Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied im Dezember 2023, dass dies rechtsmissbräuchlich war.
Aus der Entscheidung:
- Gesetzliche Grundlage:
Laut § 94 Abs. 2 Satz 2 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) hat ein Ehepartner, der bisher den Haushalt geführt hat, nach der Trennung keinen Anspruch auf Unterhalt mehr, wenn es missbräuchlich wäre, diesen Anspruch geltend zu machen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Grund für die Trennung das Verhalten des unterhaltsberechtigten Ehepartners ist.
- Verwirkung des Unterhaltsanspruchs:
Der Anspruch auf Unterhalt erlischt, wenn das Verhalten des unterhaltsberechtigten Ehepartners so schwerwiegend ist, dass es ungerecht wäre, ihm Unterhalt zu gewähren. Dies gilt vor allem bei besonders schweren Eheverfehlungen, die eine Fortsetzung des Zusammenlebens unzumutbar machen oder den Unterhaltsanspruch als unvernünftig erscheinen lassen.
- Gewicht der Eheverfehlungen:
Bei der Bewertung, ob der Unterhaltsanspruch verwirkt ist, muss auch das Verhalten des anderen Ehepartners berücksichtigt werden. Die Beweislast, dass der Unterhaltsanspruch missbräuchlich ist, liegt beim unterhaltspflichtigen Ehepartner.
- Strenger Maßstab:
Die Rechtsprechung legt strenge Maßstäbe an, um zu beurteilen, ob der Unterhaltsanspruch rechtsmissbräuchlich ist. Ein völliger Verlust des Unterhaltsanspruchs setzt normalerweise voraus, dass der unterhaltsberechtigte Ehepartner bewusst alle ehelichen Verpflichtungen missachtet.
- Reduktion des Unterhaltsanspruchs:
Der OGH hat entschieden, dass bei besonders schweren Eheverfehlungen auch eine Reduktion des Unterhaltsanspruchs möglich ist. Dabei wird eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen, die das Verhalten beider Ehepartner, die Dauer der Ehe, das Wohl der Kinder und den Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehepartners berücksichtigt.
Im gegenständlichen Fall wurde dem Mann im Mai 2023 gerichtlich verboten, in die Ehewohnung zurückzukehren oder sich seiner Frau zu nähern. Grund dafür waren körperliche Übergriffe im November 2022 und April 2023. Trotz dieser Verfügung kontaktierte der Mann seine Frau wiederholt und belästigte sie.
Das Gericht entschied, dass das Verhalten des Mannes – insbesondere die Missachtung der gerichtlichen Verfügung und die körperliche Gewalt – eine schwerwiegende Eheverfehlung darstellt. Daher wurde sein Antrag auf Unterhalt und Prozesskostenvorschuss abgewiesen. Sein Argument, dass seine Kontaktaufnahmen nur zeigen sollten, dass er die Ehe fortsetzen wolle, änderte nichts an der Entscheidung.
OGH 18.12.2023, 9 Ob 65/23h