Marktpreisanpassung bei Clerical Medical Wealthmaster Noble gesetzwidrig

Der vorzei­tige Ausstieg aus einer Lebens­ver­si­che­rung der Clerical Medical kann je nach Tarif­be­stim­mung zur Verrech­nung eines Abzuges unter dem Titel Markt­preis­an­pas­sung führen. Dieser Abzug ist wegen Verstoßes gegen das Trans­pa­renz­gebot gesetz­widrig.

Eine Konsu­mentin schloss im Jahr 2002 über einen Versi­che­rungs­makler eine „Wealth­master Noble“ Lebens­ver­si­che­rung bei der Clerical Medical Invest­ment Group Ltd. ab. Die Einmal­prämie betrug € 26.000,–, die Lauf­zeit sollte 15 Jahre betragen. Im März 2009 kündigte die Konsu­mentin die Lebens­ver­si­che­rung. Vom Vertrags­wert im Abrech­nungs­zeit­punkt in Höhe von € 25.248,81 wurden von der Versi­che­rung unter dem Titel Markt­preis­an­pas­sung € 4.544,79 abge­zogen.

Für die Ermitt­lung der Markt­preis­an­pas­sung gibt es keine formel­hafte Berech­nung. Die Berech­nung erfolgt durch den Aktuar in Groß­bri­tan­nien. Dieser berück­sich­tigt die Wert­ent­wick­lung am Markt, wobei aller­dings eine Glät­tung vorge­nommen wird. Über­dies fließt auch eine Zukunfts­er­war­tung ein. Die Markt­preis­an­pas­sung wird in den Poli­cen­be­din­gungen und in der Verbrau­cher­infor­ma­tion beschrieben.

In den Poli­cen­be­din­gungen wird der Begriff Markt­preis­an­pas­sung u.a. wie folgt beschrieben:

Ein even­tuell vorge­nom­mener Abzug, wenn Anteile an einem Pool mit garan­tiertem Wert­zu­wachs einge­löst werden und ein Rück­ga­be­bonus zwar greift, doch sein Betrag Null ist.

Der Zweck der Markt­preis­an­pas­sung besteht darin, sicher­zu­stellen, dass der zahl­bare Betrag oder (gege­be­nen­falls) der für die Zutei­lung von Einheiten an einen anderen Fonds verwen­dete Betrag den Wert­zu­wachs der zugrun­de­lie­genden Vermö­gens­werte des Pools mit garan­tiertem Wert­zu­wachs auf faire Weise während des Zeit­raumes, während dessen die Anteile dem Vertrag zuge­teilt waren, reflek­tiert und ein Poolen verschie­dener Beiträge ermög­licht und/oder der Notwen­dig­keit gerecht wird, die Inter­essen anderer Versi­che­rungs­nehmer zu schützen, deren Verträge mit dem Pool mit garan­tiertem Wert­zu­wachs verknüpft sind.
Der Abzug erfolgt etwa dort

  • wo der seit Vertrags­be­ginn erfolgte Wert­zu­wachs, der den Pool mit garan­tiertem Wert­zu­wachs zugrunde liegenden Vermö­gens­werte in Bezug auf die seit Vertrags­be­ginn ausge­zahlten Anteile unter dem von Clerical Medical erklärten Wert­zu­wachs für diese Anteile liegt;
  • wo eine Reihe von Versi­che­rungs­neh­mers gleich­zeitig Anteile des Pools mit garan­tiertem Wert­zu­wachs einlösen;
  • wo der bei der Auszah­lung eines Vertrages fällige Betrag – einschließ­lich jegli­cher sons­tigen bei Auszah­lung von Anteilen des Pools mit garan­tiertem Wert­zu­wachs in den voraus­ge­henden 12 Monaten bezahlten Beträge – von Clerical Medical für bedeutsam gehalten wird.

Die Konsu­mentin klagte den unter dem Titel Markt­preis­an­pas­sung einbe­hal­tenen Betrag gegen­über der Versi­che­rung ein.

Das LG Leoben verweist als Beru­fungs­ge­richt dazu auf die Recht­spre­chung des OGH zum Trans­pa­renz­gebot bei klas­si­schen und fonds­ge­bun­denen Lebens­versicherungen, insbe­son­dere in Zusam­men­hang mit dem Rück­kauf (vgl. etwa 7Ob131/06z und; 7Ob140/06y). Demnach müssen Verbrau­cher bis zu einem gewissen Grad die wirt­schaft­li­chen Folgen einer Rege­lung abschätzen können.

Nach den Rege­lungen zur Markt­preis­an­pas­sung ist einem durch­schnitt­li­chen Verbrau­cher zwar klar, dass Auszah­lungen vor Vertrags­ende wirt­schaft­liche Nach­teile entfalten können. Aller­dings wird nicht fest­ge­legt, in welchem Umfang, in welcher Höhe oder in welcher Rela­tion zum veran­lagten Betrag eine Markt­preis­an­pas­sung den errech­neten Rück­ga­be­wert redu­zieren kann.

Außerdem lassen weder die Verbrau­cher­infor­ma­tion noch die Poli­cen­be­din­gungen erkennen, welche Para­meter für eine Berech­nung der Markt­preis­an­pas­sung maßgeb­lich sind. Für den Versi­che­rungs­nehmer ist in keiner Weise erkennbar, dass er sich hinsicht­lich der Markt­preis­an­pas­sung in die Hände eines in Groß­bri­tan­nien ansäs­sigen Aktuars begibt und nach welchen Richt­li­nien dieser bei der Berech­nung der Markt­preis­an­pas­sung vorzu­gehen hätte. Somit lässt sich die Versi­che­rung de facto ein einsei­tiges Leis­tungs­be­stim­mungs­recht einräumen. Die Rege­lungen zur Markt­preis­an­pas­sung sind daher intrans­pa­rent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG. Mangels Vertrags­grund­lage ist die Verrech­nung einer Markt­preis­an­pas­sung unzu­lässig.

Das von der Versi­che­rung zitierte Urteil des OLG Karls­ruhe, in dem die Markt­preis­an­pas­sung als zulässig erachtet wurde, ist nach Einschät­zung des LG Leoben unzu­tref­fend.

Das Urteil ist rechts­kräftig.
LG Leoben 12.10.2010 1 R 264/10f

Aus: Infor­ma­tionen zum Verbrau­cher­recht 12_2010 des VKI (Verein für Konsu­men­ten­in­for­ma­tion)