„Tolle Männer“ sind für eine Ehefrau tabu

Weil sie beim Chatten zu weit ging, erhält eine Frau weniger Geld.

Die Frage, wen die Schuld an einer Schei­dung trifft, ist entschei­dend für die Folgen, wie etwa den Unter­halt.

Die Ehefrau ging dem Ehemann zuliebe nach der Heirat ins Ausland, bevor man im Inland gemeinsam eine Ordi­na­tion eröff­nete. Der Mann arbei­tete als Arzt, die Frau als Physio­the­ra­peutin. 2013 zog die Frau wegen der außer­ehe­li­chen Akti­vität des Manns (er hatte nach seinem Geständnis noch eine Drei­er­be­zie­hung vorge­schlagen) aus der Wohnung aus, in der Ordi­na­tion blieb man Partner.

Im Jahr darauf trennte sich der Mann von der Freundin, worauf die Eheleute in Paar­the­rapie gingen. Bald lebte man auch wieder mitein­ander. Beruf­lich wurde beschlossen, dass die Frau nun als Ange­stellte des Manns arbeitet. Er beglich die Kredite, zahlte die Urlaube und den Groß­teil der Lebens­kosten. Einmal sagte die Frau zum Mann, dass er kein geeig­neter Vater wäre, was ihn aller­dings nur kurz irri­tierte.

Im Jahr 2018 litt der Mann an einer Gehirn­haut­ent­zün­dung samt depres­siver Verstim­mung, folgte aber dem Ansinnen der Frau, dass beide beruf­lich kürzer­treten sollten, nicht.

Im Jahr 2019 erkrankte die Frau an einer Lungen­ent­zün­dung, wollte aber aus Sorge um den Erhalt ihres Lebens­stan­dards nicht in den Kran­ken­stand gehen, der jedoch für die Praxis Vorteile gehabt hätte. In der dies­be­züg­lich geführten Debatte nannte sie den Mann einen „schä­bigen Geiz­hals“.

Auch in der Ordi­na­tion kam es immer wieder zu Strei­tig­keiten, die Frau verhielt sich gegen­über Mitar­bei­tern schlecht, der Mann bekrit­telte die Arbeits­weise der Frau und kündigte Ende 2019 an, sich von ihr zu trennen, wenn sie nicht einsichtig sei. Er schlug eine erneute Paar­the­rapie vor, die Frau erklärte, er müsse sie so nehmen, wie sie sei.

Den Jahres­wechsel 2019/2020 verbrachte man zwar gemeinsam, aber nicht wirk­lich harmo­nisch auf einer Insel, im Februar 2020 sagte der Mann, sie solle ihre Ticks (Beißen in die Mund­schleim­haut und Nägel­kauen) medi­zi­nisch abklären lassen. Sie empfahl ihm, wegzu­schauen und sich Kopf­hörer aufzu­setzen.

Auf dem Weg zum Geburtstag einer Freundin schlug der Mann vor, dass jeder von ihnen einen Wohnungs­schlüssel mitnimmt. Es könne ja sein, dass man getrennt vonein­ander nach Hause komme. Er verbrachte bei der Feier die meiste Zeit mit einer anderen Frau an der Bar, die Ehefrau begab sich weinend zu einer Freundin.

Bald darauf fragte die Ehefrau in einem Chat eine Freundin, ob sie “tolle Männer” kenne. Die Ehefrau deutete dabei an, getrennt und hoffent­lich bald frisch verliebt zu sein. Auch wenn sie
das nicht ernst meinte, sondern sich nur von der Ehekrise ablenken wollte.

Dann hörte die Frau das Gerücht, dass ihr Mann zwei unehe­liche Kinder habe. Sie fing nun an, ihn mit Anrufen zu kontrol­lieren und manchmal an der Ordi­na­tion vorbei­zu­fahren, um zu sehen, ob er wirk­lich noch arbeite. Im Juni 2020 erklärte der Mann, sich scheiden lassen zu wollen, wenn es nicht besser werde. Man stritt munter weiter, auch in der Arbeit: Aus Wut beschä­digte die Frau im Herbst einmal eine Vase und das Anamne­se­buch des Mannes.

Nach harmo­ni­schen Weih­nachten stritt man wegen einer Skitour, woraufhin die Frau auswärts über­nach­tete. Im Jänner 2021 schrieb sie dem Mann auf Anraten von Freunden einen Brief, den er gut fand, weil sie darin Einsicht zeigte. Doch die Wort­wahl kam ihm komisch vor. Daher suchte er im iPad der Frau nach Hinweisen, ob ihr jemand bei dem Brief geholfen hat. Den Pin-Code zu ihrem iPad und iPhone hatte sie ihm früher einmal verraten. Der Mann fand zwar keine Hinweise zum Brief, aber die Chat-Nach­richten, laut der seine Frau „tolle Männer“ suche und sich frisch verlieben wolle. Für ihn war dies das Ende der Ehe.

Das Bezirks­ge­richt befand, dass den Mann das über­wie­gende Verschulden am Ende der Ehe treffe; er habe das Funk­tio­nieren der Ordi­na­tion dem Wohl­ergehen seiner Frau über­ge­ordnet. Die Frau habe Ehever­feh­lungen nur als Reak­tion gesetzt oder als die Ehe schon zerrüttet war.

Das Landes­ge­richt warf dem Mann auch noch die außer­ehe­liche Bezie­hung vor einem Jahr­zehnt vor. Und er hätte weniger arbeiten und sich mehr um die Frau kümmern sollen.

Der Oberste Gerichtshof (7 Ob 19/23d) meinte aber, dass die viele Arbeit lang der Lebens­weise des Paares entspro­chen habe. Die Frau habe nicht ohne weiteres verlangen können, dass der Mann davon abrücke. Und der Inhalt ihres Chats sei “sehr krän­kend” für den Mann gewesen. Unterm Strich müsse man beiden Part­nern gleich viel Schuld an der Schei­dung geben.